Von Herz zu Herz – Ein Leben mit Menschen

 

Meine Oma

Seid nunmehr fast 40 Jahren arbeite ich mit alten Menschen.Vor allem mit alten Menschen, die als schwierig empfunden werden. Und ja, ich werde bald 50 Jahre alt und habe schon mit 10 Jahren begonnen. In der Kirchengemeinde und mit meiner Oma. Meine Oma galt als äußerst schwierig. Aber sie mochte mich gerne. Ihre Tochter, meine Mutter, sagte schon damals zu mir: “Du wirst mal was mit Menschen machen. Wer mit dieser Frau zurechtkommt, kommt mit jedem zurecht.”

Ich weiß nicht, warum sich meine Oma anscheinend vor allem bei mir zu Dingen hinreißen ließ, die sie wohl sonst nicht mal für Ihre Kinder tat. Aber sie tat es einfach. Einfache Dinge wie mir Postkarten aus dem Urlaub schreiben oder mich bei ihr übernachten lassen und mit mir einkaufen gehen. Ich war die Einzige, der sie Geburtstagskarten schickte und sie malte immer Blumen mit Gesichtern darauf. Was für eine schöne Erinnerung.

Vielleicht lag es daran, dass ich einfach nichts von ihr verlangt habe. Ich habe ihr zugehört und fand sie einfach cool. Sie sprach mit ihrem Kanarienvogel und er antwortete. Sie braute Kräutertränke und hatte eine tolle Vorratskammer. So viel von ihr ist in mir und lebt dort weiter. Bis meine Mutter mir diesen Satz sagte, war mir nicht klar, dass es etwas Besonderes war.

Und meine Mutter hatte recht, wie übrigens sehr oft in meinem Leben,
das muss ich ja auch mal sagen.

Ich begann eine Ausbildung zur Arzthelferin und konnte auch hier immer mit allen gut zurechtkommen. Auch mit den Menschen, die als schwierig galten. Inklusive meiner Chefs. Auch hier lag und liegt es vielleicht daran, dass ich sie alle gelassen habe. Klar habe ich mich auch mal aufgeregt, wenn etwas zu ungerecht war aber im Wesentlichen nehme ich bis heute alles mit Humor. Je älter ich werde mit bewusster Gelassenheit.

Die Menschen haben mir immer schon viel erzählt und ich habe immer aufmerksam zugehört. Menschen, die immer im Abwehrmodus sind und anderen Menschen scheinbar wenig Respekt zeigen, sind zu sich auch nicht anders. Sie haben viel erlebt und mussten von ihrem Standpunkt aus viel kämpfen. Und irgendwann haben sie aufgehört, zwischen Menschen zu unterscheiden, die einfach nur freundlich sein möchten und denen, die vielleicht die häufigen Kämpfe auslösten. Sie sind, so zu sagen, im ständigen Kriegsmodus.

Neben Humor und Gelassenheit habe ich auch eine Fähigkeit, die eher selten ist. Ich beziehe wenig von dem, was Menschen mir sagen auf mich selber. Und sie machen sich einfach Luft, da ich halt gerade da bin. Und viele Menschen, mit denen ich zu tun habe, sind krank. Da ist der Geduldsfaden kürzer, die Ansprüche höher oder der Standpunkt, also der Punkt, von dem aus man die Welt betrachtet, krankheitsbedingt anders.

Und absolut nicht zu unterschätzen, sie haben Angst.

Angst um ihr Leben. Angst zu leben. Angst, die Kontrolle zu verlieren. Und bei vielen ist das ja auch streng genommen, so.

Demenz

Demenz bedeutet, dass Du nach und nach die Kontrolle über Dein Leben verlierst. Du wirst ein anderer Mensch.

Ich finde, das ist der wichtigste Punkt, den sich Angehörige von Menschen, die an Demenz erkrankt sind, immer klar machen sollten. Dieser Mensch wird jemand anderer werden. Und er hat Angst. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem er die Kontrolle völlig verliert.


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